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Esprit d’amusement


Daß es ein Zeichen von Überlegenheit sein könne, sich massenmedialem Stumpfsinn anzuschließen, das soll diese Ausstellung vorführen, die sehr junge KünstlerInnen in museal voluminöser Leere präsentiert. Der nicht allzu neue Witz dabei ist, daß natürlich wirkliche Stupidität, bzw. eindeutige Träger dieses Stigmas, nach wie vor aus dem Spiel ausgeschlossen bleiben sollen, das zwischen verschiedenen Stilen des Umgangs mit Elementen trivialer Geschmackskultur stattfindet; oder wie es Joshua Decter in seinem Katalogbeitrag ausdrückt: „smart genug muß man schon sein.”
Die Paradefigur für den geplanten Coup gegen „die Kopfgedanken” hat sich die Künstlerin Rosa Brueckl gleich entschlossen selbst abzugeben. In der Pose eines Pin-up-Girls und mit den Insignien einer „Miss ésprit d‘amusement” ausgestattet, steht sie selbst als Symbol dieser simulierten Kampagne als lebensgroße Pappfigur an allen Ecken. Aber erst das Kopfwissen, daß die derart in Gebrauch genommene, selbst auch die Autorin ihres Showeffekts ist, könnte vielleicht den Eindruck, einem bekannten und als Bestandteil einer unfreien Ordnung durchschauten Schema der Repräsentation zu begegnen, zugunsten einer sublimen Beunruhigung verdrängen, die ein anderes Lachen, als das der Unterhaltungsindustrie und ihres Publikums auslöst.
Wie im Gegenzug dazu geißelt sich Sean Landers auf einem Video selbst. In der Konsequenz seiner Selbstinszenierungen handelt es sich dabei aber weniger um Destruktion des Ego als gegen seine Triebe repressiver Instanz (wie etwa im Wiener Aktionismus), als um eine Stilisierung seines Körpers zum perfekten Objekt einer Verehrung, die diesmal mit Elementen religiösen Fanatismus aufgeladen ist, ohne dabei aber auf viel mehr als auf ein Stimulans ungewöhnlicher Lustgefühle zu spekulieren.
Lily van der Stockers Installation „Thank You Wallpainting” schließt hier scheinbar eher abgeklärt apathisch an, wenn sie ein hyperkünstliches Ambiente inklusive bonbonfarbenem Blumenbild serviert, und damit jede Regung des Widerstands gegen den Druck, schönen Schein zu erzeugen, dezidiert ausschließt. Das markiert einen Zynismus, der durch sein möglicherweise dahinter verborgenes Motiv provozierender wirkt als etwa die in den Medien kalkuliert eingesetzte, regelmäßige Kritik. In der selben Richtung zeigen die Porträts von Petra Varl Simoncic Gesichter, in denen man nach Esprit vergeblich sucht, die durch die immer wieder sehr genaue Wiederholung allerdings den Status von Emblemen gewinnen. Zusätzlich verrät die Art der Präsentation die bewußte Absicht Oberflächlichkeit zu kultivieren und Tiefsinn zu verweigern.
In Simon Pettersons durch dunkle Wände höhlenartig wirkender Rauminstallation, in der seine großformatigen konstruktiven Zeichnungen hell aufleuchten, wird das Kunstpublikum vom distanzgebietenden Rahmen des white cube entlastet. Man fühlt sich an Amusement-Parks erinnert, eingeladen, regressiven Regungen nachzugeben; allerdings wird dieser Effekt wieder relativiert durch den kühlen Charakter der durchdacht subversiven Wandzeichnungen.
Art Club 2000 bringen vor allem, wenn auch für die Aufrechterhaltung der kontemplativen Aura des Museums genau dosiert, Bestandteile der Werbestrategien, wie man sie aus dem Bereich der Popmusikindustrie kennt, ins Spiel um die Legitimität der Lebensstile. Auf einer großen Fotowand sieht man die Gruppe als stolze Protagonisten eines inszenierten Wandalismus in einem zerstörten Hotelzimmer stehen. Freunde einer Musikkultur, in der solche Bilder nicht ungewöhnlich sind, werden allerdings enttäuscht sein über den Mangel an Möglichkeiten, sich auch als Publikum körperlich, z.B. durch Tanzen, an das hier eher wie ein Zitat vorgeführte intensive Leben anzuschließen.
An diesem Punkt hakt dafür Rirkrit Tiravanija ein, wenn er eine Bar installiert, und den (leider nur kurzfristigen) Ausschank von Getränken ermöglicht. Sollte dies der vorsichtige Anstoß zu einer Entwicklung sein, die Museen auch für diejenigen zum Ort des Genusses werden zu lassen, die sich um Kunst weniger kümmern oder dessen müde sind? Andrea Zittels Sitzmöbelelemente, würden sich dann jedenfalls in ihrer unprätentiösen Art gut dazu eignen, sie für jeweils gerade aktuelle Zwecke zu arrangieren. Die Künstlerin benutzt sie auch bei sich zu Hause multifunktional, und hat so zumindest individuell schon begonnen, die Aufteilungen zwischen Kult und Leben zu verschieben.
Wer diesen Faden weiterverfolgt und an radikalere Konzepte denkt, die weniger affirmativ und medienbegeistert als vielmehr kritisch ausgerichtet wären, wird hier zwar zu weiteren Fragen angeregt, aber dabei nicht weiter unterstützt. Wäre nicht der Gedanke verführerisch, Stupidität und Apathie gegenüber denjenigen Instanzen an den Tag zu legen, die subtil wirksam für die Aufrechterhaltung einer exklusiven Zone des Kulturlebens sorgen? Ob geistreich oder nicht, die Überlegenen wollen hier weiterhin unter sich bleiben und sich aus dem Reservoir symbolischer Formen, in denen die Masse der Unterlegenen ihr Amüsement findet, nur zu jenen Ausdrucksweisen anregen lassen, die als ésprit Ansehen genießen.

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Michael Hauffen

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