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Klaus Ronneberger, Stefan Lanz, Walther Jahn: Die Stadt als Beute


Bei den Debatten um eine Kunst im öffentlichen Raum taucht immer häufiger der Verdacht auf, dass sich deren Rolle in der Simulation einer Realität erschöpft, über die die technische und soziale Entwicklung längst hinweggeht. Jene neuentstehenden Städte in China, etwa in der Region Shenzen, zeigen dass es auch ohne Plätze und Orte geht, die einer demokratischen Gesellschaft als gemeinsamer symbolischer Besitz zugesprochen werden. Umso mehr fragt sich dann allerdings, ob es nicht in Europa und speziell in der Bundesrepublik noch andere, historisch gewachsene Strukturen gibt, die gegenüber dem globalen Ansturm von Verwertungsinteressen und multimedialer Technologie resistent zu bleiben vermögen.
Klaus Ronneberger hat in der letzten Zeit auf einer Vielzahl von Veranstaltungen und Veröffentlichungen zum Thema seinen Standpunkt dargelegt, demzufolge sich an diesem neuralgischen Punkt des sozialen Lebens auch hierzulande ein radikaler Wandel vollzogen hat und immer noch weiter vollzieht. Auf eine Formel gebracht, ist das der klare Weg zu einer zweigeteilten Gesellschaft, deren überlegener Teil sich gegenüber dem anderen immer erfolgreicher abgrenzt. Die offizielle Politik setzt dieser Tendenz im Zuge des Neoliberalismus keinerlei ernsthaften Widerstand mehr entgegen, sondern entspricht ihr in einem Maß, das bisweilen irrationale Züge zu tragen scheint.
Insofern es in der Kunst um ein Experimentieren mit Formen urbaner Kommunikation, also um ein freies Spiel symbolischer Bezüge auf die Vielfalt sozialen Lebens geht, wird ihr durch diese Tendenzen gewissermaßen der kulturelle Nährboden entzogen; denn auch ihre Funktion eines symbolischen Asyls für die in der herrschenden Ordnung ausgegrenzten Erfahrungen und Lebensweisen ist auf alternative und heterogen fungierende Orte angewiesen, an denen sie temporär Realität werden kann. Solche potentiellen Zonen der Subkultur sind dem neuen urbanen Management logischerweise ein Dorn im Auge.
In den Kampf um den städtischen Raum ist die Kunst natürlich zudem auch ökonomisch verwickelt. Die symbolische Aneignung des urbanen Territoriums geschieht zwar vorrangig über den Kauf von Eigentumswohnungen oder die zunehmende Etablierung von nichtöffentlichen Zonen, in denen private Sicherheitsdienste und exklusive Hausordnungen über die Anwesenheit von erwünschten und unerwünschten Personen entscheiden. Aber mit dem Konformitätsdruck einer Normalität, die dabei mehr und mehr auf die Standards eigentumsorientierter Mittelschichten reduziert wird, verstärkt sich nicht nur die Vorherrschaft einer Mentalität, die alles, was irgendwie von der Norm abweicht, bedrohlich empfindet, sondern auch die Kriterien potentieller Auftraggeber für Kunst, vor allem (aber nicht nur) im „öffentlichen” Raum verändern sich in analoger Richtung.
Insofern kann die Beobachtung dieser Veränderungen auch für die Produktion von Kunst nicht ohne Interesse sein. Mit seinen Texten gelingt es Klaus Ronneberger zudem eine Sprache zu finden, die die entscheidenden Punkte anhand konkreter Vorgänge und äußerst konzentriert vorführt. Der Schritt vom dumpfen Gefühl für Veränderungen, die trotz ihrer spektakulären und glatten Oberflächeneffekte deprimierend und beunruhigend sind, hin zu einem klaren Einblick in die politischen Entscheidungen, die sie zu verantworten haben, geschieht hier auf nahezu brilliante Weise. So lässt man sich von ihm mit einer gewissen Leichtigkeit in die verschiedensten deutschen Städte und ihre verschiedenen historischen Hintergründe tragen, bis hin zu jener fast kriminalistischen Erkundung der Entscheidungen und Vorgänge, die die Rolle der Deutschen Bahn AG im Zusammenhang mit der zum Teil noch bevorstehenden Umgestaltung der Innenstädte ans Licht bringen.
Im Zentrum der Aufmerksamkeit einer Verteidigung sauberer Normalität steht das Bild vom empfindlichen Konsumenten, der davor bewahrt werden muss, diejenigen Teile der Gesellschaft wahrzunehmen, die an seinen Ritualen nicht teilnehmen können. Im Zentrum der Beobachtung, die hier geübt wird, deutet sich dagegen ein Subjekt an, das jene anderen Teile als Bedingung für einen klaren Blick in die Zukunft wahrnimmt. Mit Verdrängung ist hier zumindest langfristig nichts gewonnen. Allerdings fragt sich, im Rahmen welcher ästhetischen Praxis eine solche Wahrnehmung zum Ausdruck gebracht werden könnte, ohne sogleich wieder der Verdrängung durch die Logik der Repräsentation zu verfallen.

Dietz Verlag, Bonn, 1999, 239 Seiten, DM 24,80

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Michael Hauffen

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