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NextLevel
Die Lust am Spiel in der Netzwerkgesellschaft


Die Hysterie, die das jüngste Erscheinen neuer Spielkonsolen weltweit ausgelöst hat, machte uns wieder einmal deutlich, wie sehr unser Leben von elektronischen Medien bestimmt wird – als technischer Basis dessen, was wir mit Manuel Castells „Informationszeitalter” oder „Netzwerkgesellschaft” nennen können. Dabei scheinen auch die Grenzen zwischen Spiel und Realität immer mehr zu verfließen. Wenn daher jetzt im Kunstverein Wolfsburg in einer Reihe von Medienkunstwerken die Welt der Computerspiele thematisiert wird, könnte das auch unsere allgemeinen Perspektiven und Befindlichkeiten betreffen.
Die vorgestellten Arbeiten greifen alle das Genre des Computerspiels in einer seiner Varianten auf, geben den darin enthaltenen Möglichkeiten aber jeweils deutlich andere Wendungen, so dass die dort herrschenden Normen gebrochen, beziehungsweise überhaupt erst erkennbar werden.
So montiert etwa die Gruppe Jodi ähnliche Szenen sogenannter Egoshooter hintereinander und konstruiert damit absurde Collagen mit dem Reiz des Minimalistischen. Tamiko Thiel nutzt umgekehrt die vertraute Logik des virtuellen Raums um darin eine ganz andere Geschichte zu erzählen. In „The Travels of Mariko Horo” wird unser christliches Abendland von einer japanischen Zeitgenossin Marco Polos imaginiert, was zu ungewohnt exotischen Bildern einer eigentlich vertrauten Welt führt. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Felix Stephan Hubers „ops room”, der das historische Scheitern der Utopien Alliendes in Chile anhand seines Einsatzes kybernetischer Kontrolltechniken in Form eines Videogames darstellt. Joulia Strauss entwickelt dagegen ausdrücklich romantische Phantasien, die die vorherrschend hektische Computerwelt in Frage stellen.
Eine andere Gruppe von Arbeiten setzt sich weniger mit den Inhalten als mit der durch das Medium bedingten Entfremdung auseinander. Erste Schritte zur Aneignung der undurchdringlichen Technologie bietet Olaf Val an, wenn er einen Selbstbausatz für Jugendliche anbietet, mit dem sich ein primitiver Gameboy realisieren und programmieren lässt. Sebastian Grätz bildet dagegen eine Spielkonsole als elektronenfreies Holzobjekt nach, womit er die Aufmerksamkeit neben der formalen Ästhetik auf die rein manuellen Fertigkeiten lenkt, die zur Bedienung der Knöpfe und Hebel entwickelt werden müssen.
Insgesamt erweist sich, dass die kreativen Möglichkeiten durch das den Gesetzen des Mainstreams folgende Medium keineswegs so beschränkt werden, dass kein Raum mehr für Kritik oder die Einschreibung abweichender Erfahrungen bliebe – auch wenn man dabei gegen ein weltweites Imperium antreten muss.

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Michael Hauffen

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