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Neue Heimat


Die Neuorientierung Berlins nach dem Ende der tiefen Spaltung, die seine Realität nicht nur historisch prägt, bedeutet, dass hier mehr als anderswo Vieles in Bewegung und Vieles noch offen ist. Entsprechend vielfältig sind die Ansatzmöglichkeiten für KünstlerInnen, auf eine Welt im Werden Bezug zu nehmen. Die Ausstellung versammelt in diesem Sinn 27 repräsentative Stichproben ästhetischer Produktivität, die derzeit kaum irgendwo sonst so kritisch im globalen Horizont und zugleich optimistisch in der individuellen Lebensauffassung möglich wäre.
Am besten wird dies vielleicht von Mona Hatoums Arbeit „Mobile Home” versinnbildlicht, wo mit einem System von Wäscheleinen verbundene Alltagsgegenstände nostalgische Gefühle des Zuhauseseins provozieren, diese aber zugleich irritieren, da sich die Leinen in unheimlicher Langsamkeit bewegen, und nicht nur die Wäsche, sondern auch Mobiliar und Spielzeug mit sich ziehen.
Andere Arbeiten gehen mehr in die Extreme, wie Tea Mäkipää mit dem blossgelegten Rohrleitungs-Skelett eines Mietshauses oder Nina Fischer und Maroan el Sani mit einem kafkaesken Film, der einen jungen Mann bedrückend lang dabei verfolgt, wie er die Außentreppe eines leeren Hochhauses hinaufläuft.
Mit naiver Skepsis kommentiert Via Lewandowski den verbreiteten Bauboom, wenn er Fertigteile von Häusern wie ein Kartenhaus übereinanderstapelt. Eva Grubinger präsentiert labyrinthische Absperrungsvorrichtungen von Flughäfen, die im Museum nicht nur absurd wirken, sondern die andernorts anhaltende Begeisterung für streng geometrische Kunstformen desavouiert.
Mehr auf das individuelle Echo globaler Antagonismen konzentriert sich Brigitte Waldach. Illustrationen von Genreliteratur, wie sie in Frauenzeitschriften zu finden sind, führt sie in grellem Weinrot und überdimensional als Wandmalerei aus, wodurch eine verzerrte Räumlichkeit entsteht, in der die romantisierenden Klischees ihren subtilen Horror entfalten.
Anton Henning reflektiert in seinen Bildern das Verhältnis von Privatbereich und Stadt: Stadtansichten als Gemälde im Wohnzimmer fungieren ebenso als Symbole für ein anvisiertes Selbstgefühl wie im Museum zur Schau gestellte Privaträume. Aus der Verschränkung der verschiedenen Ebenen, die zudem durch unrealistische künstlerische Schnörkel frech gestört werden, resultieren hier Spott und Ironie gegenüber hartnäckigen bürgerlichen Konventionen.
Wie man schon aus diesen Beispielen erkennt, spielt der Titel der Ausstellung „Neue Heimat” nicht auf die Ideologie der Nachkriegszeit und auch nicht auf Heimat im trivialen Sinn an, sondern will einen symbolischen Raum weltoffenen Austausches markieren. Allerdings bleibt die Grenze, die auch ein solcher Heimatbegriff zweiter Ordnung impliziert, von künstlerischen Attacken auffällig verschont.

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Michael Hauffen

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