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Bildpolitiken


Der Titel der Ausstellung ist programmatisch zu verstehen: gegenüber der in letzter Zeit wieder zunehmend zu beobachtenden Tendenz, Kunstproduktion über die Optik des genialischen Subjekts und seiner Biografie zu rezipieren, wird hier der soziale Kontext betont. Politik meint also das Agieren in einem antagonistisch strukturierten Raum und tritt der Vorstellung einer homogenen Idealwelt des Schönen entgegen – im besten Fall durch das Aufgreifen aktiver Bewegungen.
Auf den rassistischen Aspekt konzentrieren sich die Fotoarbeiten von Christian Boltanski, die im Ausstellungraum einen markanten Pol bilden, und mit den medial verfügbaren Gesichtern von Holocaust-Ermordeten, aufgenommen kurz vor ihrem Tod, den Ernst der Machtverhältnisse sogleich ins Bewusstsein rufen. In diesem Licht erscheint die Arbeit von Lia Perjovschi, einer Sammlung von Objekten, die das Bild des Globus für die verschiedensten Zwecke illustrativ nutzbar machen, als Dokumentation historischer Ignoranz, insofern unterschwellig imperialen Phantasien kritiklos im Alltag Platz finden. Marcin Maciejowskis Malerei nimmt dagegen auf die unverblümte Machtästhetik der Nationalsozialisten Bezug, die er basierend auf historischen Fotografien analytisch herausarbeitet.
Politischer Widerstand findet sich als Gegenstand in den Arbeiten von Isa Genzken, die in New York nicht nur Aktionen, sondern auch den urbanen Kontext, der sie motiviert, collagenartig dokumentiert, bei Ingeborg G. Pluhar, die sich darauf beschränkt, Zeitungsfotos, die von öffentlichem Protest zeugen, wie wertvolle Raritäten zu behandeln, bei Martha Rosler, die in einem Video verschiedene Ebenen eines unruhigen Lebens miteinander konfrontiert, oder bei Peter Friedl, der ebenfalls Pressefotos von Widerstandsformen verwendet, diese jedoch eher wie dokumentarisches Rohmaterial präsentiert, das es gegen die Vereinnahmung durch relativierende Diskurse zu verteidigen gilt.
Die übrigen Beiträge zur Ausstellung konzentrieren sich besonders auf den Gender-Aspekt des Themas. Daniela Comani präsentiert eine Serie von aus Printmedien entnommenen Bildern mit Frauenportraits, die die Frage „Was ist eine Frau?” zu stellen scheinen, und angesichts der Heterogenität des Gezeigten die Unmöglichkeit einer einfachen Antwort behaupten. Komplementär verfährt Bernhard Gwiggner mit dem zeitgenössischen Bild des Mannes anhand von unzähligen Fotos, die er den in Salzburg verfügbaren Tageszeitungen eines einzigen Tages entnommen hat.
Stefanie Seibold legt dagegen ein Tableau von Bildmaterialien an, das mit seinen verschiedenen Ebenen, den vielfältigen thematischen Bezügen und daraus resultierenden überraschenden Nachbarschaften einen kulturwissenschaftlichen Diskurs motivieren und tragen könnte.
Ines Doujak teilt ein verwandtes Programm gewissermaßen in zwei Arbeiten auf, einmal die eher private und frei assoziierende Sammlung von Bildern und Objekten, andererseits ein thematisch geordnetes Archiv. Die Schubladen eines Metallkastens erlauben den Zugriff auf Serien von Fotos, etwa mit Schnappschüssen von Verletzungen, die sich junge Frauen selbst beigebracht haben. Damit wird das Dunkel der Verschwiegenheit um ein aktuell brisantes Problem gelüftet, aber nicht nur um die Betroffenen als Opfer zu stilisieren, sondern auch den womöglich kulturkritischen Sinn ihrer Handlungen zu reflektieren. Selbstzerstörung könnte in diesem Fall auch Negation zugeschriebener Merkmale sein, wie sie in der Lesbenkultur mitunter offensiv praktiziert wird. Fotos, die letzteres dokumentieren, rücken daher die offiziell normative Perspektive zurecht.
Ann-Sofi Sidén verbindet die verschiedenen Register der Ausstellung in einer Serie von gefundenen Fotos aus einer Wiener Presseagentur, deren ursprünglich jüdische Besitzer enteignet wurden. Die Fotografien zeigen weiße Pferde in Situationen, die die Zeit um 1938, also den „Anschluss” Österreichs an das NS-Regime und die damit verbundene Unterdrückung aus einer ungewöhnlichen Perspektive, aber deshalb vielleicht umso besser, reflektieren.
Die parallel im Studio gezeigte Videoinstallation von Markus Scherer, der die Weltcup-Arena in Zauchensee einer kritischen Beobachtung unterwirft, lässt sich mühelos dem Thema Bildpolitiken zuordnen, auch wenn es hier weniger um Rasse, Klasse und Geschlecht, als vielmehr um den massiven Trend zur Eventkultur geht, die all jene Ausschlussmechanismen in nostalgischer Verklärung invisibilisiert. Im Zentrum des Gebäudes positioniert Scherer einen Theoretiker, der einen mäandrierenden Vortrag zur Kritik dieser Kultur hält, während dessen Alter Ego mit der Handkamera der simulierten Dorfidylle in durchtriebener Manieriertheit begegnete, und eine objektive Wiedergabe konsequent verweigert. Dennoch gelangen genug Details in den Blick des Betrachters, um zu verstehen, dass hier eine kritische Position die massivsten Mittel verlangt, wenn man sich vom Stumpfsinn distanzieren will, den das Spektakel verbreitet.

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Michael Hauffen

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